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«Es hat mir geholfen, mein Suchtverhalten besser zu verstehen und Ziele für mein eigenes Konsumverhalten festzulegen und umzusetzen.»
G. D.

02.12.2025

«Es lief alles gut, und ich trank trotzdem»

Lucy Ackermann (44, Name geändert) hörte vor einigen Monaten definitiv mit dem Trinken auf. Beim Trockenbleiben helfen ihr Sport und ihr Suchtberater.

«Es lief alles gut, und ich trank trotzdem»

Lucy Ackermann verbringt gerne Zeit am Wasser. Zum Beispiel geht sie gerne fischen (Bild: Kelly Sikkema/Unsplash).

Sabine Arnold

«Ich hatte mein ganzes Leben lang konsumiert, verschiedene Substanzen, Alkohol eigentlich immer, ausser während der Schwangerschaft. Die Emotionen der letzten vierzig Jahre trank ich weg oder dämpfte sie, nicht mal nur die negativen Gefühle, sondern auch die guten. 

In schlimmen Zeiten trank ich schon über Mittag, aber vor allem am Abend. Vermutlich habe ich ein ADHS, viel Energie, mache tausend Sachen und trank, um schnell fünf Minuten Pause zu machen. Ein einzelnes Bier zu trinken, ginge ja noch. Das Problem ist aber das Masslose, nicht aufhören zu können. 

Ich habe einen kreativen Beruf, arbeite tendenziell immer zu viel, häufig von zu Hause aus. Wenn man Suchtprobleme hat, ist das gar nicht gut, Während der Pandemie war es ganz schlimm: Damals hatte ich bereits um 10 Uhr morgens ein Bier in der Hand. 

Psychisch ging es mir in letzter Zeit recht gut, ich trank schon länger nicht mehr wegen Problemen. Ich stehe stabil im Leben, habe einen Partner, ein Kind, einen Job. Es lief eigentlich alles gut, und ich trank trotzdem. 

Mein tägliches Versagen zermürbte mich mit der Zeit. Es ist ein Teufelskreis. Ich nahm mir jeden Morgen vor aufzuhören. Das Letzte, was ich am Abend dachte, war: Jetzt hab ich‘s schon wieder nicht geschafft. 

«Super, dass Sie gekommen sind. Ab jetzt sind Sie nicht mehr alleine.»
Silvan Küderli, Suchtberater

Im Internet suchte ich schliesslich Hilfe und fand die Suchtfachstelle Zürich. Ich rief an, musste aber einige Monate auf meinen ersten Termin warten.

In der Zwischenzeit ging ich zu meiner Hausärztin, um mich gesundheitlich durchchecken zu lassen. Sie meinte, ich sei erstaunlich gesund. Sie riet mir, auch bei anderen Suchthilfe-Institutionen einen Termin zu vereinbaren, deshalb rief ich auch in einer Klinik an, wo ich relativ schnell ein Erstgespräch bekam. Eine Psychiaterin führte eine ganze Anamnese durch. Dort hätte ich aber von Montag bis Freitag an einem Programm teilnehmen müssen. Das ging nicht, weil ich alleinerziehend bin und arbeite. 

Es gab ein Hin-und-her mit dieser Klinik und ich nahm schliesslich trotzdem meinen Termin an der Suchtfachstelle Zürich wahr. Das war ein Glück! Ich fühlte mich von Beginn weg wohl. Suchtberater Silvan Küderli sagte: «Super, dass Sie gekommen sind. Ab jetzt sind Sie nicht mehr alleine. Ich helfe Ihnen.»

Zu Beginn schämte ich mich, aber verstecken half nicht mehr. Ich musste zu meinem Problem stehen. Ich trank damals bereits weniger, hatte meinen Konsum innerhalb eines Jahres reduziert: Zum Schluss waren es noch täglich zwischen zwei bis sieben grosse Dosen Bier. Früher war es noch mehr gewesen, auch härterer Alkohol. 

Im Mai dieses Jahres wollte ich definitiv mit dem Trinken aufhören. Silvan Küderli sagte, kleinere Schritte zu machen, sei sinnvoller. Wir vereinbarten von Woche zu Woche gewisse Tage, an denen ich nicht trank. – Dass ich es schaffte, einzelne Tage auf Bier zu verzichten, machte mich stolz, es gab mir ein gutes Gefühl. Man sieht die Benefits: Ich schlief besser, stand besser auf. Der Tag begann leichter.

Kurz darauf machte ich während zwei Wochen einen ambulanten Entzug, begleitet von einem Arzt der Suchtfachstelle Zürich. Ich hatte zwar keine körperlichen Beschwerden, aber die suchtmedizinische Begleitung ist Standard. 

«Als ich mit dem Trinken aufhörte, wurde plötzlich alles rundherum kompliziert.»
Lucy Ackermann, Klientin der Suchtfachstelle Zürich

Nüchtern war ich zu Beginn ultra gereizt, nervös und verzettelt, vergass Vieles. Ja, als ich mit dem Trinken aufhörte, wurde plötzlich alles rundherum kompliziert. Plötzlich hatte ich Diskussionen mit meinem Freund, während wir früher kaum stritten. In der Schule meines Kindes passierte etwas Mühsames. Vermutlich fielen mir die Schwierigkeiten erst auf, seit ich abstinent war.

Ich hatte schon ein paar Rückfälle, aber zum Glück immer nur an einzelnen Abenden. Wenn man einmal aufgehört hat, macht der Konsum übrigens keinen Spass mehr. Denn bereits während man trinkt, hat man ein schlechtes Gewissen. Ich trank jeweils, weil etwas Unvorhergesehenes passiert war. Den Alltag kann man trainieren. Aber Dinge, die einem kurz aus der Bahn werfen, können einem destabilisieren, und dann liegt das Trinken nah. Ich informierte meinen Suchtberater über jeden Vorfall. Er verurteilte mich nicht, sondern sagte, das sei völlig normal. Verantwortung zu übernehmen und hinzustehen sei das A und O.

Wie mit dem Suchtdruck umgehen? Zusammen mit meinem Suchtberater entwickelte ich Strategien entlang der Fragen: Wann trinke ich und weshalb? Er fragte immer ganz genau: Was geschah, bevor sie sich wieder ein Bier gekauft haben? Wie fühlten Sie sich? Weiss man das nicht, kann man den Automatismus nicht durchbrechen. Es geht darum, Skills zu entwickeln, die dem Suchtdruck standhalten. Dieser hält übrigens nur ungefähr sechs Minuten an. Diese Zeit muss man in einer ersten Phase überbrücken. Mir nützte zum Beispiel zehn Liegestützen zu machen, kalt zu duschen, etwas Scharfes zu essen, schnell das Haus zu verlassen. Man muss sein Gehirn ablenken. 

Zuerst dachte ich: Oh mein Gott, wie halte ich das aus? Plötzlich ploppten schlechte Erinnerungen an die Oberfläche, die ich nicht mehr präsent hatte. Man muss sie aushalten, kann nicht mehr davor fliehen. Ausserdem hatte ich in der ersten Zeit ohne Alkohol ganz üble Albträume. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber ans Nichttrinken. Es ist nicht mehr jeder Tag ein Kampf. 

Aktuell gehe ich noch alle zwei Wochen in die Suchtberatung. Der Gedanke «Ich könnte ja mal wieder etwas trinken», kommt immer noch. In allen möglichen Situationen: Etwa in den Ferien, wenn man etwas Cooles erlebt, wenn man Stress hat, genervt ist. Bier passt in jede Situation: Beim Zusammensein mit Kollegen oder auf Ausflügen mit meinem Kind. 

Aber vor allem trank ich allein, abends zu Hause. Ich versteckte es vor meinem Kind. Es musste mich nie zusammenlesen, ich lag nie besoffen auf dem Sofa. Es merkte es vermutlich trotzdem. Manchmal sagte es zu mir, Bier zu trinken und zu rauchen, sei nicht gesund. Im Frühling sagte ich ihm, ich hätte mir vorgenommen, nicht mehr zu trinken. Ich verschwieg ihm aber, dass ich ein Alkoholproblem habe und deswegen in die Therapie gehe. Ich gehe dorthin, wenn mein Kind in der Schule ist.

Heute belohne ich mich mit Sport

Grundsätzlich bin ich eine Optimistin, ich gab mich nie ganz auf und integrierte die Traumata in mein Leben – so nennen das die Ärzte. Aufgeben war nie eine Option. Mein Kind ist das Wichtigste in meinem Leben. Irgendwie brachte ich immer alles auf die Reihe, auch als Alleinerziehende. Auch wenn es manchmal sehr streng war. Ich stehe jeden Tag um sechs Uhr auf. Bei mir zuhause ist alles tipptopp. Ich verbringe gerne Zeit mit meinem Kind und lasse es nicht gern fremdbetreuen. Wir unternehmen viel zusammen, haben die gleichen Hobbys: Wir fahren gerne Velo, gehen schwimmen, skaten. 

Sucht hat mit dem Belohnungssystem zu tun. Heute belohne ich mich mit Sport. Ausserdem gehe ich einmal pro Woche in die Massage. Eine Freundin bot mir das an, als ich ihr sagte, dass ich mit dem Trinken aufhöre. Mein Problem ist es, mich abzugrenzen und nur für mich zu schauen. Man muss das Hirn trainieren und neu programmieren nach einer Sucht. 

Ich informierte schliesslich alle Freundinnen, dass ich ein Alkoholproblem habe und jetzt etwas tun muss. Sie waren gottenfroh, merkten ja schon lange, dass ich zu viel trank. Sie reagierten unterstützend, haben mich nicht verurteilt. 

Mein Partner, mit dem ich seit eineinhalb Jahren zusammen bin, trinkt praktisch nichts. Vor ihm trank ich auch weniger. Wir wohnen nicht zusammen, er lebt in einer anderen Region und hat eigene Kinder. Wir sehen uns nur am Wochenende. Er merkte nichts, bis ich es ihm sagte. Auch er reagierte verständnisvoll und begleitete mich sogar zum ersten Arzttermin. 

Ich bin zuversichtlich, dass ich es schaffen werde, trotz Rückschlägen. Ich habe viel Vertrauen und Kraft geschöpft in den letzten Monaten und weiss mittlerweile: Es ist möglich, eine Sucht zu überwinden.

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